In wenigen Tagen jähren sich die Ereignisse um die stark gestiegenen Grundwasserstände in Dinslaken. Im November 2023 entdeckten die ersten Betroffenen feuchte Stellen an ihren Kellerwänden. Etwas später stand dann das Wasser bereits knöcheltief in vielen Kellerräumen. Die Hausbewohner*innen wendeten sich hilfesuchend an die Behörden und auch an die Feuerwehr. Statt besinnlich die Feiertage zu genießen, mussten die Geschädigten Möbel schleppen und Pumpen installieren. Schläuche auf dem Gehweg mit sprudelndem Wasser prägten einige Straßenzüge. Der finanzielle Schaden und die Sorgen wurden täglich größer. Insgesamt waren über 300 Haushalte betroffen. Große Ratlosigkeit machte sich breit. Die Geschädigten und auch die Fachleute rätselten über die Ursachen des Grundwasserphänomens. Nach einem umfangreichen Gutachten und einem Antrag auf finanzielle Hilfe für Anerkennung als Naturkatastrophe, der vom Ministerium abgelehnt wurde, installiert die Stadt Dinslaken nun sieben Grundwasserbeobachtungsbrunnen als „Vorwarn-System“.
Kurz nach dem Grundwasseranstieg organisierte die Stadt Dinslaken Anfang Januar 2024 eine Bürgerversammlung. Einige der Teilnehmenden äußerten verschiedene Vermutungen für die Ursache des Problems. So wurden ein örtliches Rückhaltebecken, ein abgeschaltetes städtisches Pumpwerk, undichte Kanäle, das Hochwasser im Rhein und insbesondere im Rotbach oder auch das neu angelegte Emscherdelta in Eppinghoven genannt. Zur Ursachenforschung wurde im Anschluss an die Bürgerversammlung eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Fachleuten der Stadtverwaltung und der Emschergenossenschaft bzw. dem Lippeverband sowie von betroffenen Anwohnern*innen, gegründet. Die Arbeitsgruppe hat insgesamt fünf Mal getagt. Parallel dazu beauftragte die Stadt Dinslaken einen Gutachter mit der Untersuchung des Phänomens. Einige potenzielle Auslöser konnten durch nähere Betrachtung (z.B. TV-Befahrung der Kanäle, Begehung) direkt ausgeschlossen werden. Auch der Kreis Wesel hatte sich zwischenzeitlich in das Verfahren eingeschaltet. Das Gutachten ist mittlerweile auf der städtischen Internetseite einsehbar.
Demnach sind maßgeblich die starken Niederschläge zwischen Oktober 2023 und Anfang 2024 verantwortlich für die übermäßige Grundwasserneubildungsrate. Das Kalenderjahr 2023 war seit Auswertungsbeginn 1931 mit großem Abstand das nasseste Jahr. Die Jahresniederschlagsmenge von 1.360 mm überstieg den langjährige Mittelwert um fast 70 Prozent. Der Grundwasserspiegel wurde dadurch massiv innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums gespeist und stieg außergewöhnlich rasch und hoch an. Dass es sich nicht ausschließlich um ein lokales Problem handeln konnte, wurde im Laufe der Bearbeitung daran ersichtlich, dass viele Regionen von Köln bis Wesel bzw. Kamp-Lintfort bis Dortmund mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten.
Um den betroffenen Privathaushalten einen ersten Beitrag zur Unterstützung in der (auch finanziellen) Not ermöglichen zu können, hatte sich die Stadt Dinslaken an das Land NRW gewandt. Die Anfrage zielte auf Anerkennung des Grundwasser-Phänomens als Naturkatastrophe im Sinne einer entsprechenden Richtlinie. Diesen Antrag lehnte das Ministerium ab. Es begründet die Ablehnung mit dem fehlenden kausalen Zusammenhang zu der in der Richtlinie aufgeführten Naturkatastrophen, wie Hochwasser, Starkregen, Hagel, Sturm, Erdbeben, Erdrutsche, usw. Auch weitere formale Voraussetzungen seien nicht erfüllt.
Die in der Arbeitsgruppe vorgeschlagenen baulichen Maßnahmen zur Grundwasserabsenkung in einzelnen Ortsteilen oder gar im gesamten Stadtgebiet können von Seiten der Stadt nicht veranlasst werden. Neben der Frage nach der Finanzierbarkeit fehlt zudem die gesetzliche Grundlage. Künftig ist die Politik gefragt, das Thema Grundwasserbewirtschaftung im Wasserrecht zu integrieren. Damit kann eine Legitimation geschaffen werden, um eine Grundwasserregulierung zu einer staatlichen Aufgabe zu machen wie die Abwasserbeseitigung, den Hochwasserschutz oder die Starkregenvorsorge.
Um den Menschen in Dinslaken helfen zu können, hat die Stadtverwaltung nun ein „Vorwarn-System“ installiert. Dazu zählen sieben Grundwasserbeobachtungsbrunnen, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind. Die Messergebnisse können zukünftig auf der städtischen Internetseite eingesehen werden. (Die Stadt wird an dieser Stelle darauf hinweisen, sobald diese online einzusehen sind) Damit ist dann ein Vergleich zur jeweiligen Kellersohle möglich, um die Gefahrenlage frühzeitig zu erkennen. Das System geht noch 2024 in Betrieb. „Ich hoffe, dass sich die Ereignisse nicht so schnell wiederholen. Aber der Blick auf die aktuellen Wetterkapriolen, hervorgebracht durch den Klimawandel, besorgt mich. Wir haben stadtweit nun ein Beobachtungssystem installiert - als einen ersten Schritt, um dem Grundwasser-Problem zu begegnen und wir bleiben in stetigem Austausch und Gespräch mit Expert*innen auf diesem Fachgebiet“, so Bürgermeisterin Michaela Eislöffel.
Die Stadt rät ihren Bürger*innen dringend, private Vorsorge zu betreiben. Grundstücksbezogene Maßnahmen zur Vermeidung eines schädlichen Grundwasserstands, wie Ringdrainagen oder Absenkbrunnen sind zulässig und ratsam. Das Ableiten des geförderten Grundwassers in die städtische Regenwasserkanalisation ist unter gewissen Voraussetzungen bereits jetzt möglich. Die Stadtverwaltung strebt dazu auch noch eine entsprechende Satzungsänderung im nächsten Jahr an. Gegebenenfalls sind auch nachträgliche Abdichtungsarbeiten der Kellerwände geeignet. Für alle privat geplanten Maßnahmen rät die Stadtverwaltung unbedingt zur Beteiligung geeigneter Fachleute, um finanzierbare und effektive Lösungen zu finden.
Der Umbau der vorhandenen Kellergeschosse als sogenannte „Weiße Wanne“ (= wasserundurchlässiges Bauwerk aus Beton) ist bei Bestandsgebäuden nicht möglich. Die überwiegende Anzahl der Häuser mit einer solchen Ausstattung hatten keine Probleme mit dem hohen Grundwasserstand. Beim Neubau ist die Berücksichtigung der möglichen Grundwasserhöchststände für die am Bau Beteiligten eine wichtige Aufgabe. Nur so kann eine für Jahrzehnte wichtige Entscheidung über die fachgerechte Herstellung – oder sogar den Verzicht – eines Kellergeschosses getroffen werden.
Pressemitteilung vom 20.11.2024