Umschluss erfolgreich abgeschlossen: Emscher fließt nun 500 Meter weiter nördlich in den Rhein. Investition von rund 70 Millionen Euro für verbesserten Hochwasserschutz und Steigerung der Artenvielfalt im Revier
Mit dem Erreichen der Abwasserfreiheit in der Emscher hat ein neues Zeitalter begonnen – nun liegt der Fokus ganz auf der Revitalisierung der einstigen „Köttelbecke“. Einen großen Meilenstein erreichte die Emschergenossenschaft am Mittwoch (9.11.): Nach achtjähriger Bauzeit und der seit Frühjahr erfolgten Öffnung des Rheindeiches bei Dinslaken und Voerde wurde nun im Beisein vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst die neue Mündungsaue der Emscher geflutet. Mit dieser Nordverlegung der Emscher-Mündung entsteht ein rund 20 Hektar großes Delta, das künftig nicht nur verbesserten Hochwasserschutz bietet. Für Flora und Fauna bildet es ein wichtiges Eingangsportal vom Rhein in das neue Emscher-Tal.
Mit der neuen Emscher-Mündung in den Rhein ermöglicht die Emschergenossenschaft Fischen nun den Aufstieg stromaufwärts – ein Beitrag zur Steigerung der Artenvielfalt, der über Jahrzehnte nicht möglich war: Seit der Inbetriebnahme des Mündungsbauwerkes im Jahr 1949 stürzte die Emscher rund fünf Meter tief in den Rhein. Mit der Verlegung der Mündung um knapp 500 Meter nach Norden gleicht die Emschergenossenschaft den Höhenunterschied nun elegant und sanft aus, unter anderem mit fischfreundlichen Sohlgleiten. Rund 70 Millionen Euro hat die Emschergenossenschaft in die Maßnahme investiert – es ist eine sinnvolle Investition in die Klimafolgenanpassung, in den Hochwasserschutz und in die Förderung der Artenvielfalt im neuen Emscher-System.
„Das Jahrhundertprojekt Emscher-Umbau findet als größtes Infrastrukturprojekt Europas internationale Beachtung und hat eine herausragende Bedeutung für ganz Nordrhein-Westfalen. Denn: Es ist ein Vorsorgepaket zum Schutz vor den Folgen des Klimawandels. Die Renaturierung der Emscher-Mündung ist dabei eine ganz besondere Etappe, die ein beispielhaftes Projekt für den Natur- und Artenschutz darstellt und zudem einen wichtigen Beitrag zum Hochwasserschutz leistet“, sagt Ministerpräsident Hendrik Wüst. „In den kommenden Jahren wird die Emscher wieder zu einem lebendigen und ökologisch funktionsfähigen Gewässer, das nicht nur einen Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten bietet, sondern auch einen Naherholungsort für die Menschen in der Region“, so der Ministerpräsident weiter.
„Die heutige Einweihung der neuen Emscher-Mündung steht symbolträchtig für das neue Kapitel in der Geschichte der Emscher: Sie schafft die Voraussetzung für die Ansiedlung neuen blaugrünen Lebens im zentralen Fluss des Ruhrgebietes. Die neue Mündungsaue hat das Potenzial, sich zu einem der beliebtesten Touristenareale in der Region zu entwickeln: Eine Infrastruktur mit neuen Radwegen und Verweilmöglichkeiten bildet die beste Voraussetzung dafür“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft.
Und Dinslakens Bürgermeisterin Michaela Eislöffel betont: „Die neue Mündungsaue ist eine naturnahe Entwicklung, die ich ökologisch sehr begrüße. Für Dinslaken bedeutet die Veränderung zugleich einen Abschied von der Mündung, weil diese um knapp 500 Meter verlegt worden ist und somit zu Voerde gehört. Positiv betrachtet: Die Emscher verbindet nun unsere beiden Städte miteinander und ist damit auch ein Symbol für unsere enge Verbundenheit. Mit dem Hof Emschermündung sowie den Rad- und Spazierwegen entlang der Emscher in Dinslaken bleiben der Fluss und seine letzte Strecke vor dem Rhein prägend für die naturnahe Erholung in unserer Stadt. Auch bei uns in Dinslaken stehen noch an vielen Stellen Renaturierungsmaßnahmen an.“
„Wichtige Aspekte wie den Hochwasserschutz haben wir nicht vergessen, sondern ganz im Gegenteil bereits frühzeitig miteingeplant: Die neue Aue bietet der Emscher, aber auch dem Rhein einen zusätzlichen Retentionsraum mit einem Fassungsvolumen von rund 1,3 Millionen Kubikmetern“, sagt Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand der Emschergenossenschaft.
Mehr als ein wasserwirtschaftliches Projekt
Mit dem Erreichen der Abwasserfreiheit in der Emscher hat die Emschergenossenschaft zum Jahresende 2021 das Generationenprojekt Emscher-Umbau abgeschlossen – seitdem fließt kein Tropfen ungeklärtes Abwasser mehr in den Fluss. Das Hauptziel des 1991 beschlossenen und 1992 begonnenen Vorhabens zur abwassertechnischen Umgestaltung des Emscher-Systems wurde damit erreicht. Doch in den vergangenen drei Jahrzehnten hat die gesamte Region auch die Mehrwert-Effekte des Emscher-Umbaus fernab der Befreiung der Gewässer von ihrer Schmutzfracht kennen und schätzen gelernt. Das zunächst rein wasserwirtschaftliche Projekt hat längst städtebaulichen Einfluss und ist als vermutlich größte Maßnahme zur Klimafolgenanpassung im Ruhrgebiet zu betrachten.
An mehreren Stellen entlang der Emscher sind die von der Wasserwirtschaft aus- und deutlich über sie hinausgehenden positiven Effekte des Emscher-Umbaus zu beobachten. Geballt treten sie an der Emscher-Mündung in den Rhein bei Dinslaken und Voerde auf: Westlich der Hagelstraße ist auf einer Fläche von zirka 20 Hektar nicht nur eine Auenfläche mit mehreren Emscher-Armen und der ein oder anderen Insel entstanden, die in heißen Sommermonaten das Mikroklima positiv beeinflusst und für Abkühlung sorgt. Geschaffen werden darüber hinaus in den kommenden Monaten neue Radwege und Verweilpunkte an Emscher und Rhein.
Emscher-Hof als Anlaufpunkt für Tourist*innen
Der Hof Emschermündung bietet künftig nach dem Abschluss der Mündungsmodellierung nicht nur Kulinarisches für die Pause während einer Radtour, sondern ist als Begegnungs- und Informationszentrum an einem der spannendsten Orte an der Emscher konzipiert: Während der Fluss in den vergangenen 73 Jahren seit seiner letzten Nordverlegung von Duisburg-Walsum nach Dinslaken als tief eingedeichter und schnurgerader Kanal daher kam, wird die neue Emscher zum Bewundern einer idyllischen Gewässer- und Auenlandschaft einladen.
Die alte begradigte Mündungsstrecke wird in der kommenden Zeit mit dem Aushub der Baustelle komplett verfüllt. Das markante Emscher-Absturzbauwerk in den Rhein wird dagegen als Zeugnis der Wasserwirtschaft im industriellen Ruhrgebiet für künftige Generationen erhalten bleiben.
Infobox:
Zahlen, Daten, Fakten
- Verschiebung der Mündung um rund 500 Meter Richtung Norden
- Laufverlängerung der Emscher um rund 700 Meter
- Vorheriger Absturz der Emscher in den Rhein: sechs Meter
- Künftiger Trockenwetterabfluss der Emscher: 15 m3/s
- Auenfläche: rund 20 Hektar
- Bodenaushub: knapp 1,3 Mio. m3
- Durchschnittliche Aushubtiefe: 5 Meter
- Mittleres Aushubniveau: 18,95 Meter über dem Meeresspiegel
- Baubeginn: 2014
- Investitionsvolumen: rund 70 Millionen Euro
Weitere Stimmen:
Dr. Frank Dudda, Vorsitzender des Genossenschaftsrates der Emschergenossenschaft und Oberbürgermeister der Stadt Herne:
„Die Verbindung der Emscher mit dem Rhein, dem wichtigsten Fluss unseres Bundeslandes, ist mehr als ein symbolischer Akt. Er steht jetzt auch im Westen des Ruhrgebiets für ein neues, partnerschaftliches Selbstverständnis einer Region, die mit großen blaugrünen Schritten das Ziel erreicht, grünste Industrieregion der Welt zu werden.“
Dirk Haarmann, Bürgermeister der Stadt Voerde:
„Es erfüllt mich mit Stolz, dass Voerde den geographischen Endpunkt dieses Jahrhundert-Vorzeigeprojektes bildet und nun in die „Emscher-Familie“ aufgenommen wird. Dieser neu geschaffene, einzigartige Naturraum wird mit seiner Strahlkraft auch für unsere Stadt ein neues Aushängeschild.“
Bodo Klimpel, Landrat des Kreises Recklinghausen und Vorsitzender des Verbandsrates des Lippeverbandes:
„Die Emscher fließt durch zahlreiche Städte im Kreis Recklinghausen. Dass wir mit der neuen Mündung nun einen weiteren wichtigen Baustein beim Klima- und Hochwasserschutz setzen, ist eine sehr gute Nachricht. Bereits bei der ökologischen Mündungsrenaturierung an der Lippe vor acht Jahren haben wir hiermit sehr gute Erfahrungen gemacht.“
Die Emschergenossenschaft
Die Emschergenossenschaft ist ein öffentlich-rechtliches Wasserwirtschaftsunternehmen, das als Leitidee des eigenen Handelns das Genossenschaftsprinzip lebt. Sie wurde 1899 als erste Organisation dieser Art in Deutschland gegründet und kümmert sich seitdem unter anderem um die Unterhaltung der Emscher, um die Abwasserentsorgung und -reinigung sowie um den Hochwasserschutz. www.eglv.de
Pressemitteilung vom 09.11.2022